Ralf Werner
PHANTOM MONUMENT, 2015
Modell auf Drehsockel, drei Projektoren, Rotunde
Friedrich-Wolf-Theater, Eisenhüttenstadt 2021
Das Märzgefallenendenkmal von Walter Gropius wurde 1922 auf dem Historischen Friedhof in Weimar errichtet. Es erinnert dort an neun streikende Arbeiter, die während des Kapp-Putsches 1920 erschossen wurden. Das in Sichtbeton ausgeführte Monument in Gestalt eines kristallin gebrochenen, aufragenden Blitzes wurde 1936 durch die Nationalsozialisten zerstört.
1946 wurde eine Replik in leicht veränderter Form und Ausrichtung an der selben Stelle errichtet, die ursprüngliche Gestalt des Monuments bleibt jedoch verloren.
Drei historische Aufnahmen aus unterschiedlichen Blickrichtungen zeigen das Monument vor seiner Zerstörung. Auf der Grundlage dieser Aufnahmen hat Ralf Werner die verlorene Gestalt des Denkmals als Modell rekonstruiert. Dafür hat er die drei Fotografien aus unterschiedlichen Blickwinkeln in die Mitte seines Ateliers projiziert, und die drei Projektoren so im Raum positioniert, wie es der Position der Kamera bei der jeweiligen Aufnahme entsprach. An der Stelle im Raum, wo sich die Strahlengänge der drei Projektoren überschneiden, entstand im Dunkeln suchend und tastend die Rekonstruktion des Monuments aus weißem Karton: Einzelne Flächen wurden solange im Projektionsfeld geneigt und geschwenkt bis mindestens zwei der projizierten Aufnahmen auf ihnen zur Deckung gebracht waren. Auf diese Weise wurde die räumliche Information über das verlorene Monument, die in diesen Fotografien gespeichert ist, Schritt für Schritt wieder zurück in ein dreidimensionales Objekt übersetzt.
Im Inneren der Rotunde von Phantom Monument wiederholt sich die räumliche Situation wie sie bei der Entstehung des Modells bestand: Das Objekt steht im Kreuzungspunkt der drei Projektionen in der Mitte der Rotunde. Doch anders als im Atelier ist die Situation hier nicht statisch, sondern das Modell rotiert auf einem Drehsockel um die eigene Achse. Die drei Projektoren belegen das Modell mit einer fotografischen Haut aus Licht während es sich darunter kontinuierlich dreht. Für einen kurzen Moment während jeder Umdrehung liegen die drei historischen Aufnahmen nahezu deckungsgleich auf dem Modell und evozieren so ein fast hyperreales Bild des Märzgefallenendenkmals. Schon einen kurzen Augenblick später verzerren und überlagern sich die Projektionen auf dem weißen Untergrund und lösen die Gestalt des Monuments auf wie in den Facetten eines Kaleidoskops. Phantom Monument changiert beständig zwischen Erscheinen und Verschwinden, zwischen Rekonstruktion und Auflösung einer verlorenen Gestalt.